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Zeit

Höher, schneller, weiter!“ lautet das Entwicklungsparadigma und Lebensmotto, was seit Jahren unsere Gesellschaft prägt. Entstanden in der Zeit des Wirtschaftswunders rennen, rasen und rackern wir diesem noch immer hinterher, um dem Wettbewerb im Kleinen wie im Großen Stand zu halten.

Macht das glücklich?

Fördert das unser Wohlbefinden, unsere Kreativität und ein gemeinschaftlich erfülltes Leben?

Wann nehmen wir uns ernsthaft Zeit für die Absenz des Produktionszwang – damit von dort heraus Neues gedacht und entstehen kann?

Wann gibt es Raum für Orientierung, Müßiggang und kreative Schaffensprozesse?

Wann finden wir Zeit, die wir mit dem Feiern unserer persönlichen Errungenschaften verbringen, um diese wertzuschätzen?

Das Anerkennen der Notwendigkeit kraftspendenden Verhaltensweisen wie Müßiggang und Zeit zum Durchatmen braucht im 21. Jahrhundert viel Mut.

Nehmen wir uns diese mutig und denken bewusst über die Frage nach:

Wie wollen wir gelebt haben?

Nach Frigga Haug braucht es dringlicher denn je ein intensives Nachdenken über eine menschenwürdige Zeitgestaltung, „[…] für die Erledigung des Notwendigen, des sich Kümmerns um Leben und seine Bedingungen, um die eigene Entwicklung und die notwendige Muße, um die politische Gestaltung und Einrichtung der Gesellschaft.“

 Zeit ist demnach eine der geringsten, aber wichtigsten Ressource der Menschen.

Fast food, fast fashion, ständige Erreichbarkeit und die dopamintreibende Kommunikationstechnologien erschweren jedoch den Umgang mit den wirklich relevanten Fragen und Lernaufgaben unserer Zeit.

Drei Entwicklungen machen diese Auseinandersetzung laut Nico Paesch[1] jedoch unabdingbar:

  1. Ökologische Grenzen

Unser Planet gelangt mehr und mehr an seine Grenzen. Eine auf materielles Wachstum ausgerichtete Wirtschaft, die Schnelllebigkeit preist, führt auf kurz oder lang zu einem Kollaps unserer Mitwelt.

2. Psychische Grenze

Die Beschleunigung unseres Lebens, der Umgang mit der ständigen Erreichbarkeit und der Datenfülle im worldwideweb sorgen oftmals für das subjektive Gefühl der Überlastung oder der Frage, ob alles geschafft werden könne – letztlich für das Gefühl keine Zeit zu haben. Die Kultur des Wettbewerbs spornt zum Mithalten im individuellen, gemeinschaftlichen und globalen Kontext an und fordert das Dabeisein, denn das ist alles.

3. Soziale Grenzen

Je nach Nutzung der eigenen Zeit und dem Grad der persönlichen Ausbildung gelingt es dann gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten. Bereits in Schule beginnt der Kampf um die gesellschaftliche Teilhabe – mit der Orientierung an das entgrenzte Wachstumsprinzip, welches mit Konkurrenzverhalten einhergeht, verlieren immer mehr junge Menschen den Kontakt zu sich selbst, den eigenen Bedürfnissen und Stärken. Doch wollen wir diese nicht nutzen!

Schafft der Mensch nicht auch aus der Muße heraus Innovation und Tatkraft?

Stell dir einmal vor, du hast Zeit…

  • Worauf hättest du Lust?
  • Welche Aktivitäten stünden im Vordergrund deines Handelns?
  • Mit wem würdest du deine Zeit gern verbringen?
  • Wofür würdest du dich und deine Zeit einsetzen wollen?
  • Wie würde dein entschleunigtes Leben aussehen?

Lernen wir es gern neu, unsere individuelle und kollektive Zeit zu schätzen.

Gestehen wir uns zu, dass ein bewusster Umgang mit unserem Leben Zeit beansprucht, um Glück zu erfahren. Erschaffen wir aus diesem neuen Credo heraus ein gutes, glückliches Leben, welches ökologische Grenzen achtet, soziale Ungleichheiten abbaut und sinnstiftendes, glückliches Lernen und Leben ermöglicht.

Nehmen wir uns Zeit für Veränderung!



[1] Ebd. https://konzeptwerk-neue-oekonomie.org/wp-content/uploads/2018/06/Buch_Zeitwohlstand.pdf

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